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Update 2. Oktober 2023: Und die Preise steigen weiter...

Aktualisiert: 3. Okt.


Die Medienstelle von DENNER hat sich bei uns gemeldet und einige Preisangaben in unserem kleinen Warenkorbpreisvergleich moniert (Konkret: 1 Rechenfehler und 3 angeblich falsche zugrunde liegende Anfangspreise). Wir danken Denner für diese Hinweise. Wir haben das korrigiert. Allerdings müssen wir dennoch festhalten, dass wir leider keine Einsicht in die Pricing History Datenbank von Dennerprodukten haben (DAS WÄRE WAHNSINNIG SPANNEND!) und wir daher den Angaben von Denner einfach Glauben schenken müssen. Es bleibt trotzdem dabei: Armutsbetroffene sowie Menschen der unteren Mittelschicht sind viel mehr von der Inflation betroffen als öffentlich zugegeben wird!


Gemäss dem Teuerungsrechner des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK) beträgt die Teuerung im Zeitraum Februar 2022 - August 2023 rund +4%. Real aber hat sich für Armutsbetroffene sowie Sozialhilfebezüger (und jene, die auf dem Weg dazu sind) das Preisniveau um 10% - 25% erhöht.


Das Problem mit dem Warenkorb des Bundesamts für Statistik

Der Wert des Warenkorbs, auf dem die Inflationsrate berechnet wird, repräsentiert einen Durschschnittshaushalt in der Schweiz, so wie es das Bundesamt für Statistik (BFS) definiert. Es ist aber vollkommen klar, dass Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben (aber auch jene, die sich langsam aber sicher aus dem Mittelstand im sozialen Sinkflug Richtung Armut befinden!) einen völlig anderen Warenkorb haben. Und der ist mit Sicherheit real 10%-25% teurer geworden. Insbesondere für Sozialhilfebezüger, die ihr ganzes ausbezahltes Geld (den sog. Grundbedarf) für Nahrungsmittel und Artikel des täglichen Bedarfs ausgeben, ist die Inflation auf jedem Fall im zweistelligen Bereich anzusiedeln. Menschen mit wenig Einkommen müssen einen grösseren Teil ihres verfügbaren Einkommens für den täglichen Gebrauch, für Wohnkoksten und Strom ausgeben. Also für Essen und Trinken sowie für Miete und Energiekosten. Und diese Preise sind seit Jahresfrist im Niedrigpreissegment stärker gestiegen als Preise für Bekleidung, Möbel oder allgemein für Güter im oberen Preissegment und Luxusgüter. Diese Dinge haben im Warenkorb der Besserverdiener einen entsprechend höheren Anteil, und dadurch ist ihre reale Inflation niedrig.


Das Problem der ungleichen Preisanpassung durch Supermärkte/Detaillisten

Der Anteil an jenen Gütern, die besonders preissensitiv auf die Inflation ansprechen, sind überproportional teurer geworden; und das sind in der Regel gerade jene Produkte, die bisher schon am günstigsten waren, wie z.B. Eigenmarken der Grossverteiler wie Denner, Migros und Coop, bei denen zu vermuten ist, dass die Margen allenfalls niedriger sind als bei teureren (Marken-)produkten. Da die teureren Markenprodukte, die im BFS-Warenkorb auch berücksichtigt sind, weniger stark im Preis gestiegen sind, resultiert daraus eben ein verzerrter Inflationswert für die untersten Einkommensschichten.


Beispiel: Preisexplosion bei DENNER

Um aufzuzeigen, wie dramatisch sich das tägliche Leben verteuert hat, nehmen wir als Beispiel den Discounter Denner, eine Tochterfirma der Migros übrigens, für all jene, die es nicht wissen. Denner ist beliebt bei Konsumenten, die aufs Geld achten müssen, zumal viele Produkte bei Denner günstiger sind als identische (oder vergleichbare) Alternativen bei Migros, Coop, SPAR oder Volg. Wir haben einen kleinen, für viele Konsumenten absolut typischen Warenkorb mit 10 alltäglichen Nahrungsmitteln mit den dazu gehörenden Preissteigerungen seit Anfang 2022 zusammengestellt:



Preis Anfang 2022: CHF 0.90

Aktueller Preis: CHF 1.60

Preisanstieg: + 77.8 %


Vergleichbare Preisanstiege lassen sich auch für andere Pastavarianten derselben Marke beobachten. Die Preise andere Pastaprodukte (die bisher bereits teureren Marken), sind auch zweistellig gestiegen, aber nicht in diesem Umfang.



Preis Anfang 2022: CHF 1.00

Aktueller Preis: CHF 1.40

Preisanstieg: + 40 %


Kommentar: Am Tag, als dieser Artikel erschien (21.3.2023) kostete dieses Produkt noch CHF 1.25. Eine Woche danach: CHF 1.40. Vergleichbare Preisanstiege lassen sich auch für die anderen Saucen derselben Marke beobachten (Arrabiata & Bolognese).




Preis Anfang 2022: CHF 0.50

Aktueller Preis: CHF 0.60

Preisanstieg: + 20 %

Kommentar: Auch alle anderen Biersorten (einheimische wie importierte) verbuchten im fraglichen Zeitraum einen mindestens 10% Preisaufschlag.



Preis Anfang 2022: CHF 2.15 (wir haben auf Basis von CHF 2.- gerechnet)

Aktueller Preis: CHF 2.55

Preisanstieg: + 18.6 %


Kommentar: Auch die Pilzrisotto-Variante derselben Marke kostet heute CHF 2.55.



Preis Anfang 2022: CHF 1.00

Aktueller Preis: CHF 1.20

Preisanstieg: + 20 %


Kommentar: Auch Frischbrot und Aufbackwaren sind im Schnitt mindestens 10% teurer geworden.



Preis Anfang 2022: CHF 1.60

Aktueller Preis: CHF 2.--

Preisanstieg: +25 %


Kommentar: Alle Nussmischungen sind teurer geworden.



Preis Anfang 2022: CHF 2.95

Aktueller Preis: CHF 3.60

Preisanstieg: + 22 %


Kommentar: Denner hat neben dem links abgebildeten Produkt auch das folgende für CHF 3.90 im Angebot:

Interessant dabei: die Zutatenliste ist identisch; es handelt sich bei beiden Produkten um normale Butter (das günstigere Produkt ist nicht als Kochbutter deklariert).



Preis Anfang 2022: CHF 3.35

Aktueller Preis: CHF 4.25

Preisanstieg: + 26.9 %

Kommentar: Der Preis wurde mit einem Zwischenschritt von CHF 3.30 erhöht.



Preis Anfang 2022: CHF 0.95

Aktueller Preis: CHF 1.20

Preisanstieg: + 26 %

Kommentar: Auch Polenta und Kartoffelpüree sind um rund 10% teuerer geworden.



Preis Anfang 2022: CHF 0.45

Aktueller Preis: CHF 0.65

Preisanstieg: + 44 %

Kommentar: Viele Tomatenkonserven haben eine Preiserhöhung erlebt. Aber auch frische Tomaten kosten z.B. im 500g-Netz durchs Band mind. 10% mehr als Anfang 2022. Man kann also nicht einfach auf Frischprodukte ausweichen, um der Inflation bei Konservenprodukten auszuweichen.

Fazit:

Hätten AKTUELL wir diesen Warenkorb mit den 10 obengenannten Produkten Anfang 2022 gekauft, so hätten wir dafür CHF 14.85 bezahlt. Heute (Stand 29. März 2023) kostet dasselbe CHF 19.05 Also ein Preisanstieg von 28.3%!

Natürlich ist das kein abschliessender oder repräsentativer Vergleich. Es gibt sicher viele Produkte, bei denen der Preisanstieg sich im einstelligen Prozentbereich bewegt. Und vereinzelt gibt es Produkte, die billiger geworden sind - allerdings oft erst, nachdem zuvor der Preis für kurze Zeit taktisch angehoben wurde (ein beliebter Trick in der Branche). Unter dem Strich muss man im Supermarkt/Discounter beim Warenkorb mit Produkten des Niedrigpreissegments aber von einer realen Preissteigerung zwischen 10% und 20 % ausgehen.


Wir haben bewusst Produkte aus dem Niedrigpreissegment gewählt, die zum täglichen und typischen Gebrauch jener Menschen gehören, die mit grossen Budgetrestriktionen leben. Aber auch andere Produktkategorien (Fleish- und Milchprodukte, Gemüse und auch Non-Food) verzeichnen durchs Band Preiserhöhungen, die die offizielle Inflationsrate des Bundes klar übersteigen - und auch hier wieder vermehrt im Niedrigpreissegment. Es gibt dazu zwar leider (noch) keine repräsentativen Forschungsergebnisse, aber es machen sich immer mehr Journalisten in verschiedenen Medien dazu Gedanken. Hier einige Beispiele:


Fazit für armutsbetroffene und Sozialhilfe beziehende Menschen
  • Die Teuerung im Warenkorb ist viel höher als allgemein angenommen.

  • Die 2.5 % Erhöhung der Sozialhilfe per 1. Januar 2023 kommt a) zu spät und ist b) viel zu tief. Sie reicht noch nicht einmal aus, die gestiegenen Stromkosten abzufedern - von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs gar nicht zu reden.

  • Mit der - wie in diesem Artikel dargelegt - im zweistelligen Prozentbereich sinkenden Kaufkraft armutsbetroffener und sozialhilfebeziehender Menschen, fallen diese Menschen unter die Existenzminimumsgrenze. Ein vernünftiges Leben, so wie es das Sozialhilfegesetz und unsere Bundesverfassung eigentlich vorsehen, kann so nicht mehr stattfinden.

  • Sozialbehörden sind nunmehr angehalten, insbesondere wenn es um Kürzungen oder (Teil)einstellungen von Sozialhilfeleistungen geht, äusserst vorsichtig zu agieren und den inflationsbedingten Kaufkraftverlust zu berücksichtigen. Ansonsten machen sie sich schuldig, Par. 12 der Bundesverfassung zu verletzen. Es wird hierzu bestimmt auch noch zu massgebenden Urteilssprüchen der Verwaltungsgerichte und des Bundesgerichts kommen werden.

  • Im Kanton Zürich haben sich beispielsweise die Preise des Stromanbieters (EKZ) per 1. Januar 2023 für normale private Endverbraucher um durchschnittlich 26% erhöht. (Das ist ein gnädiger Wert, denn in anderen Regionen der Schweiz steigen die Preise fast um das Doppelte!) Dabei ist zu beachten, dass der Stromanbieter (EKZ) die Preise für Normal- und Niedertarifstrom ungleich erhöht hat: die Preise für Niedertarifstrom sind stärker gestiegen als für Tagesstrom. Da Armutsbetroffene, Sozialhilfeempfängeer, EL-Bezüger und im Abstieg befindliche Mittelständler aber bereits heute oftmals schon alles tun, um Strom zu sparen (d.h. sie nutzen die Niedertarifoption schon optimal aus), wird die effektive Preiserhöhung mehr als 26% betragen.

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